Friday, January 01, 2010

Das neue Jahrzehnt



Wer Langfristiges mag und an Natur denkt, da gibt es eine interessante Entwicklung. Grob gesagt: Vor zwanzig Jahren galt alles als Natur, was nicht vom Menschen beeinflußt war. Nur mittlererweile wissen wir nicht wie lange der Mensch schon auf die Umwelt einwirkt. Ist er schon an der Ausbreitung der Buchenwälder in Mitteleuropa beteiligt? Dann geht es schon um Zeiträume von mehreren tausend Jahren. Ist er sogar schon an großflächigen Bränden in der Mittelsteinzeit und damit an der Vegetationszusammensetzung beteiligt?
Kurz und gut, irgendwie spielt der Mensch seit sehr sehr langem eine Rolle, heutzutage beispielsweise durch den hohen Nährstoffeintrag aus der Luft, der zum großen Teil aus der intensiven Landwirtschaft stammt. Ältere Naturschutzgebiete im Landkreis Osnabrück brauchten ausser den kaum mehr vorhandenen Hochmooren Pflegepläne. Teilweise waren sie ja alte Kulturflächen, die jetzt durch veränderte Techniken und Nutzungen allmählich verschwinden.
Viele ideologische Kämpfe hingegen oder noch mehr gab es um den Nationalparkgedanken - kann man Natur sich selber überlassen? - man kann. Auch im Landkreis Osnabrück, obwohl für die betroffenen Flächen, die noch hinzugefügt werden sollen, noch viel Lobbyarbeit notwendig ist. Eine Buchneuerscheinung behandelt das Thema und heisst:
Dynamik-Inseln in der Kulturlandschaft - Ein Projekt im Raum Osnabrück

Die Autoren sind Paul Stegmann und der schon langjährig bekannte Naturschutz-Haudegen von der FH-Osnabrück Herbert Zucchi.
Sie schildern die Bestrebungen, möglichst viele Dynamik-Inseln zu schaffen, in denen sich die Natur selbst überlassen bleibt. Das kann sogar am Stadtrand von Osnabrück geschehen, ein Gebiet am Burenkamp ist dafür vorgesehen.
Auf einer Webseite der FH:
Auf diesen Dynamik-Inseln ist das Ziel nicht der Schutz von einzelnen Arten oder Biotopen, sondern die Bereitstellung der Fläche für den Schutz dynamischer Entwicklungen und Prozesse, die als eine Grundeigenschaft aller lebendigen Systeme anzusehen sind. Konsequenter Prozessschutz auf Arealen der mitteleuropäischen Kulturlandschaft führt zu (sekundärer) Wildnis, die BROGGI (1999) treffend als jenen Raum definiert,

• „in dem wir jede Nutzung und Gestaltung bewusst unterlassen,

• in dem natürliche Prozesse ablaufen können, ohne dass der Mensch denkt und lenkt,

• in dem sich Ungeplantes und Unvorhergesehenes entwickeln kann.“

Im Gegensatz zu Prozessschutzflächen in Großschutzgebieten wie etwa Nationalparken, wo sich Wildnis mit ihrer Dynamik auf einigen tausend Hektar ausdehnen kann, geht es hier um kleine bis kleinste Areale, die als Dynamik-Inseln in der genutzten „Normallandschaft“ liegen. Auch sie sollen einem konsequenten Prozessschutz zugeführt werden und sich somit zu Sekundärwildnis-Inseln entwickeln können.

Birken
Bereich der alten Landwehr an der Autobahnausfahrt Sutthausen

Ob diese Birken dazugehören, ist nicht sicher, aber sie sind ein wichtiger Rand- und Übergangsbereich zu den genutzten Flächen drumherum. Im Buch wird auch der Begriff Wildnis benutzt. Und spätestens dann wird klar, wie heikel noch dieses Naturschutzziel ist. Denn wer möchte schon gern seinen Besitz in "Wildnis" umwandeln lassen? Aber immerhin, im Jahr 2010 gibt es bereits eine erstaunliche Anzahl solcher sich selbstüberlassenen Nischen im Landkreis Osnabrück.

Hier die Flächen, blaue Punkte, entlang des Wiehengebirgsstreifens (entnommen aus dem oben genannten Buch):


Auch der Silbersee im Hüggel südwestlich von Osnabrück konnte hinzugefügt werden.

Die Fixierung auf ein Biotop, ein Lieblingswort des Naturschutzes in früheren Jahren, war schon immer problematisch. Es galt hier einen Jetztzustand zu erhalten, obwohl klar sein musste, dass in der Natur vor allem Entwicklungen und Prozesse stattfinden. Selbst ein alter Wald hat irgendwann ein vorläufiges Ende. Entweder durch Windwurf oder Brand oder andere Ursachen, die hochstämmigen Bäume weichen irgendwann für einige Zeit den kleineren Pflanzen. Also: Beobachten wir erstmal, was auf den Dynamikinseln passiert. Vorhersehen können wir es nicht hundertprozentig, aber das macht es spannender.

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